Die Sonne strahlt und am Himmel zeigt sich kaum eine Wolke, als wir den Bauernhof von Nadine Thalmann und ihrem Mann in Neerach besuchen. Einzig der Tau auf den Gräsern lässt vermuten, dass der Herbst langsam vor der Tür steht. Der Hof, der bereits seit Generationen in Familienbesitz ist, wirkt wie ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint. Hier leben Nadine und ihr Mann mit ihren beiden Töchtern und Hund Barry.
Nadine Thalmann ist eine leidenschaftliche Landwirtin, die mit Hingabe arbeitet. Auf 25 Hektaren bauen sie und ihr Mann Weizen, Dinkel und Roggen an – alles ohne Pestizide. Ihr Ziel ist es, eine nachhaltigere Zukunft für ihren Hof und ihre Familie zu schaffen, indem sie bewährte Traditionen mit modernen, umweltfreundlichen Landwirtschafts-Praktiken verbindet.
Nadine ist Vollzeit-Landwirtin und unterstützt ihren Mann, der den Hof von seinen Eltern übernommen hat. Ursprünglich hatte Nadine einen ganz anderen Beruf erlernt und war mehrere Jahre als Pflegefachfrau tätig. Doch um ihren Mann in seinem Lebenswerk besser unterstützen zu können, entschied sie sich für eine zweite Ausbildung zur Landwirtin. Während dieser intensiven zweijährigen Reise hat sie sich ein breites Wissen angeeignet.
«Ich liebe die Natur, das Draussen sein und die vier Jahreszeiten», betonte Nadine, als wir sie nach ihrem Beruf fragen. Jeder Tag auf dem Bauernhof bringt neue Herausforderungen mit sich, sie schätzt den Wandel und die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Ihr Hof hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Veränderung durchgemacht. So haben sie schon bald nach der Übernahme die konventionelle Bodenkultivierung aufgegeben. Mittlerweile bauen sie alle ihre Getreidearten ohne Pestizide an. Sie verzichten also auf Fungizide gegen Pilzkrankheiten, Insektizide gegen Pflanzenschädlinge, Herbizide gegen Unkraut und verzichten auf Halmverkürzer, geben den Getreidehalmen somit ihre natürliche Grösse zurück. Saatgut, welches für diesen speziellen Anbau eingesetzt wird, ist ungebeizt. In unserer Backstube in Baden kombinieren wir die traditionelle Handwerkskunst geschickt mit modernster Technologie. Auch in der Landwirtschaft ist es nicht anders. «Ich schätze das Ursprüngliche in unserem Beruf. Es gibt so viele Aspekte, die man fühlen muss.
Man kann nicht einfach das Getreide aussäen, ohne den Boden gefühlt zu haben. Es gibt so vieles, das beachtet werden muss», betont Nadine. Die Wurzeln früherer Arbeitsweisen seien nach wie vor in der Landwirtschaft verankert. Ebenso faszinierend sei es zu beobachten, wie sich die Früchte der harten Arbeit entfalten, wenn die Pflanzen wachsen und schliesslich das Getreide geerntet wird. «Solche Momente sind wirklich etwas Besonderes!»
Natürlich gibt es auch Dinge, die Nadine weniger begeistern. Die mitunter umständliche Bürokratie mit zahlreichen Formularen und Anträgen bereitet ihr gelegentlich Kopfzerbrechen. Ebenso stellt sie die vielschichtige politische Gesellschaft vor Herausforderungen. In einer Welt, die oft nach mehr, besser und schneller strebt, macht sie sich Gedanken über die Balance zwischen Fortschritt und Nachhaltigkeit.
Getreide aus pestizidfreiem Anbau
Die Umstellung auf pestizidfreien Anbau war eine Entscheidung, die sie und ihr Mann ohne Bedenken trafen. «Schliesslich bauen Bio-Bauern auch ohne Pestizide an, warum sollte es bei uns nicht klappen?» so Nadine Thalmann. Die grösste Herausforderung seien die sorgfältigen Kontrollen und das unbeständige Wetter. «Da Pestizide nicht mehr als Schnellreparatur dienen können, ist es äusserst wichtig, die aktuelle Wetterlage zu beachten.»
Auch in Bezug auf Unkraut gibt es viel zu berücksichtigen. So gibt es Unkraut, das weniger problematisch ist und sogar als Bodenschutz betrachtet werden kann, während Disteln und Klebern möglichst frühzeitig erkannt und entfernt werden müssen, teilweise sogar von Hand. Mit dem neuen Striegel, der vor dem Haus steht, sei aber vieles einfacher geworden und viele Berufskollegen und Nachbarn haben sich bereits nach der Handhabung und Effizienz des Geräts erkundigt.
«Ein grosser Wunsch von mir ist es, einen eigenen Hofladen aufzubauen.»
In Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz betont Nadine, dass sie, zusammen mit ihrer Erfahrung, situativ handeln und Ressourcen nachhaltig nutzen. Vor kurzem hat junge Landwirtin einen Biokurs absolviert und dort vieles dazu gelernt. Sie kann sich gut vorstellen, in Zukunft komplett auf Bio umzustellen. Da sie keine eigenen Nutztiere besitzen, gestaltet sich die Umstellung allerdings etwas schwieriger. Nadine geht davon aus, dass im Bereich Bio in den nächsten Jahren weitere Fortschritte gemacht werden. So gibt es mittlerweile wirksame biologische Spritzmittel, die, dank ihrer Effektivität, auch in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden.
Ihre schönsten Erinnerungen in der zweiten beruflichen Karriere setzen sich vorwiegend aus kleinen Mosaiksteinen zusammen. Der Blick auf die Natur, die frühen Morgenstunden, der Stolz beim Anblick des Mähdreschers im goldgelben Weizenfeld - all das sind Augenblicke, die sie erfüllt und die sie jeden Tag mühelos früh aufstehen lassen. «Das Schönste ist natürlich, dass unsere beiden Kinder auf dem Hof aufwachsen konnten», ergänzt Nadine Thalmann. «Ich schätze es sehr, dass unsere Kinder so stark mit der Natur verbunden sind und wissen, welche Arbeit hinter dem Beruf als Landwirt:in steckt.» Für Nachwuchs auf dem Hof scheint übrigens gesorgt zu sein: die ältere der beiden Töchter lässt sich ebenfalls zur Landwirtin ausbilden.
Und dann hat Nadine noch einen Traum: einen eigenen Hofladen mit einem vielfältigen Produkteangebot. Mit saisonalem Gemüse, Obst und Produkten, welche aus den natürlichen Erzeugnissen vom eigenen Betrieb, mit viel Liebe und Freude hergestellt wurden. Wir sind sicher, wenn wir in wenigen Jahren hier vorbeispazieren, werden wir einen hübschen, einladenden Laden antreffen. Wir freuen uns darauf.